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  Traumwelten







Der Ring

Mini erschti Gschicht, woni je ha gschribe.  
 
Der Ring 
 
Müde liege ich auf dem zerschlissenen Strohsack. Meine Glieder sind schwer, ich kann kaum den Kopf heben. Der pochende Schmerz in meinem Arm will nicht vergehen. Wenn er gebrochen ist, bin ich verloren. Wie soll ich mit einem gebrochenen Arm kämpfen. Der letzte Gegner war stark, fast zu stark. Wäre er nicht unachtsam gewesen, hätte er mich getötet. Doch so habe ich seine Schwäche ausgenützt und überlebt.  
Ich will nicht kämpfen und ich ekle mich vor mir selbst, wenn ich daran denke, was ich getan habe. Doch was bleibt mir anderes übrig. Die Auswahl ist nicht sehr groß. Kampf oder Tod. 
Und ich will leben. 
 
Seit zwei Wochen werde ich hier wie ein Tier festgehalten. In dieser Zeit mußte ich fünf Mal in den Ring.  
Fünf Mal habe ich gekämpft. 
Fünf Mal hatte ich Glück. 
Fünf Mal habe ich überlebt. 
Die Regeln sind einfach: Der Stärkere gewinnt. Und der Kampf ist erst vorbei, wenn einer tot ist.  
 
Wie ich hierher gekommen bin, weiß ich nicht genau. Ich war auf einem Sommerfest. Als ich alleine heimgelaufen bin, habe ich plötzlich einen Schlag auf den Kopf bekommen. Aufgewacht bin ich hier in meiner Zelle. Man gab mir zwei Tage Zeit, mich auszuweinen, alle zu verfluchen und mir die Hände an der Tür aufzureißen. In dieser Zeit bekam ich nichts zu essen. Nach zwei Tagen hätte ich für ein Stück Brot alles getan. Sie stellten mich in den Ring und sagten mir, wenn ich überlebe, gäben sie mir etwas zu essen. Ich hatte keine Ahnung was ich tun mußte, bis das Scheinwerferlicht plötzlich aufflammte. Mir gegenüber stand ein junger Mann, der sofort versuchte, mir an die Kehle zu gehen.  
Er hat den Kampf nicht überlebt. 
So ging es auch in den anderen vier Kämpfen. Jedesmal hatte ich junge Menschen in meinem Alter als Gegner.  
Wenn man im Ring steht, verschwindet alle Menschlichkeit. Es geht nur noch ums nackte Überleben. Nach meinem ersten Kampf mußte ich mich in einer Ecke erbrechen. Ich konnte nicht fassen, was ich getan hatte. Ich fragte mich nach dem Wieso. Wieso hetzen sie uns aufeinander?  
Ich fand es beim zweiten Kampf heraus. Nachdem ich zusammengebrochen war, hörte ich Rufe und Schreie. Ich schaute über mich, und was ich sah, schockierte mich. Über mir befanden sich Pelze, Seidenanzüge, Perlenketten und Aktenkoffer. Reiche Leute, die Geld bezahlen um barbarische Kämpfe zu sehen. Das gab mir den Rest und ich fiel in Ohnmacht.  
In den folgenden Tagen fragte ich mich immer wieder: Warum? Warum? Warum machen Menschen solche Dinge? 
Am Anfang haben sie mir versprochen, mich freizulassen. Ich habe daran geglaubt. Ich habe gekämpft um zu leben. Inzwischen habe ich gemerkt, daß dies nur leere Versprechen sind. Mit jedem weiteren Kampf ist etwas in mir gestorben. Nach und nach. Mein Wunsch zu leben wird immer kleiner. Wenn das hier Leben ist, ziehe ich den Tod vor.  
Die Hoffnung auf Flucht habe ich bereits nach vier Tagen aufgegeben. Hier kommt keiner lebend raus. Draußen gelten wir als verschollen. Wenn sie nur ein bißchen vor ihrer Nase suchen würden. Ich habe nämlich das starke Gefühl, daß ich immer noch in meiner Heimatstadt bin. In meiner schönen, zivilisierten Heimatstadt. 
 
Jetzt sitze ich in meiner Zelle und weiß, daß ich den nächsten Kampf nicht überleben werde. Es berührt mich nicht. Selbst wenn uns jetzt jemand freilassen würde, könnte ich nie mehr so leben wie früher. Ich habe fünf Menschen getötet. Also werde ich in den nächsten Kampf gehen und dabei sterben. 
Diese Gleichgültigkeit schockiert mich ein wenig. Bin das wirklich ich? Nein, ich existiere schon lange nicht mehr. Ich habe einem Wesen Platz gemacht, daß sich selbst und anderen gleichgültig entgegenschaut.  
 
Die Tür öffnet sich. Jetzt ist es also so weit. Mühsam stehe ich auf und wanke zur Tür. Heute werde ich die Erwartungen des Publikums nicht erfüllen. Das verschafft mir eine kleine Genugtuung.  
Der kleine, schmierige Typ wartet schon draußen. Er führt mich zum Ring. Als ich ihn betrete, ist es dunkel. Doch bald wird das Licht angehen. Es ist schneller so weit, als ich dachte. Zuerst flackernd, dann immer stärker flammen die Scheinwerfer auf. Mir gegenüber steht ein junges Mädchen, vielleicht sechzehn Jahre alt. Es ist nicht ihr erster Kampf. Ich sehe es in den Augen. Diese Augen sind leer, schon fast tot. Ob meine wohl gleich aussehen? 
 
Die Rufe und Schreie der Zuschauer scheinen mir unendlich weit entfernt. Alles außerhalb des Rings verschwimmt vor meinen Augen. Es gibt nur noch das Mädchen, mich und den Tod. Sie greift mich sofort an. Ich bleibe einfach stehen. Lasse es zu, daß sie anfängt mich zu würgen. Ich spüre, wie sie mir die Luft abschneidet. Ich habe furchtbare Angst vor dem Tod. So hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Mein Sichtfeld wird immer kleiner, schwarze Balken schieben sich vor meine Augen. Plötzlich wehre ich mich dagegen. Instinktiv. Ich klammere mich an sie, versuche sie wegzustoßen. Doch es ist zu spät. Meine Kräfte verlassen mich. Ich sinke zusammen. Sie läßt nicht los, drückt noch mehr zu. Wahrscheinlich will sie es schnell hinter sich bringen. Das bekomme ich nicht mehr mit. Vor meinen Augen tanzen farbige Lichter und mein Körper wird von einer wohligen Wärme ausgefüllt. Ein letztes Mal bäumt sich mein Körper auf. 
 
Dann ist es vorbei.  
 
Einfach vorbei. 
 
 

   
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Letzte Änderung am 30.07.2004
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