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  Traumwelten







Der Schutzengel

Töu säge, dass sig bis itz mini beschti Gschicht. Biudet nech säuber ä Meinig drüber. 
 
 
Ruhig sass er an ihrem Bett. Durch das Fenster kam angenehme Luft hinein und die weissen Vorhänge schaukelten sachte im Wind. Er sass schon lange da und seine Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Er schaute sich nicht im Zimmer um, denn er kannte alles, was sich darin befand. Hunderte von Nächten sass er schon da. Er hatte ihre Entwicklung beobachtet, vom süssen, kleinen Mädchen zur schönen, jungen Frau. Er wusste alles über sie. Nie konnte er an ihrem Leben Teil haben, doch in der Nacht spiegelte sich alles in ihren Träumen und er vermochte sie zu lesen. Und so kannte er sie besser als sonst jemand, vielleicht sogar besser als sie selbst.  
Nacht für Nacht sass er da und las ihre Träume. Er war ihr guter Freund und hörte ihr zu. Er half ihr, ihre Probleme zu verarbeiten und gab ihr Ratschläge. Sie spürte, dass da etwas war. Aber solange es nur tief in ihrem Inneren war, suchte sie nicht danach und oftmals dachte sie nicht einmal daran. 
Manchmal fand er es schade, dass er nicht an ihrem Leben teilhaben konnte. Wie gerne würde er ihr realer Freund sein, mit ihr lachen und mit ihr weinen. Doch das war nicht seine Bestimmung. 
 
Und während er da sass, fühlte er abgehackte und verwirrende Gedanken in ihrem Kopf. Er sah Bilder in ihr, die gehetzt und verschnitten wirkten. Beängstigende Träume in denen dunkle Schatten vorkamen. Doch als er weiter vordringen wollte, stiess er auf eine Barriere. So etwas war ihm noch nie passiert. Beunruhigt betrachtete er ihr schlafendes Gesicht. Er sah darauf nichts Neues und keine Veränderung. Aber etwas musste passiert sein. Etwas, dass so schlimm war, dass sie es verdrängte. 
Sanft strich er mit seiner Hand über ihre Haare. Die Bilder kamen immer schneller und wilder. Bald würde sie erschrocken aufwachen und sich vielleicht sogar noch an den Traum erinnern.  
Er musste dafür sorgen, dass es nicht so weit kam. Er musste sie beruhigen und trösten. Doch solange er die Barriere nicht überwinden konnte, würde ihm das nicht gelingen. 
Er versuchte nochmals tiefer in ihre Traumwelt vorzudringen, langsam und vorsichtig. Und dieses Mal kam er weiter. Die Bilder waren nicht mehr ganz so schnell und die Schatten gewannen an Substanz. Langsam konnte er Dinge erkennen. Und als die Bilder immer schärfer wurden, schloss er entsetzt die Augen. 
 
Er sah Dunkelheit, finstere Nacht. Er spürte Schmerzen. Und er konnte das Blut riechen. Es zog ihn so tief in ihre Träume hinein, wie niemals zuvor. 
Noch einmal sah er den Ablauf. Wie sie alleine die Strasse hinunter lief. Sah die dunklen Schemen an der Ecke, die nach Alkohol stanken und ihr hinterher pfiffen. Sah, wie sie weiter lief und sie nicht beachtete. Bemerkte den plötzlichen Ruck, als einer der Typen sie am Arm festhielt. Versuchte ihr zu helfen, als sie sich losreissen wollte. Spürte den Schmerz, als ihr einer die Faust ins Gesicht schlug.  
Immer deutlicher wurden die Bilder. Nur ihre Gesichter konnte er nicht erkennen. Er sah nur gesichtslose Gestalten, die sich über sein Mädchen hermachten. Wildes Stöhnen, dass ihm fast das Trommelfell platzen liess. Und die ganze Zeit sah er die Angst in ihren Augen. Augen, die stumm nach Hilfe schrien. Ihr schmaler Körper wurde von harten Stössen geschüttelt, ihre zarte Haut beschmutzt und ihre Jungfräulichkeit geschändet. 
Verzweifelt versuchte er, ihr zu helfen, die Schatten wegzureissen. Doch wie sollte er verhindern, was bereits geschah?  
Nach einer ihm unendlich lange erscheinenden Zeit liessen sie endlich von ihr ab. Liessen sie im Schmutz liegen und torkelten davon. 
Zitternd und verstört lehnte sie an die kalte Mauer. Sie umklammerte sich selbst, wiegte sich vor und zurück und ihr Blick irrte umher. 
Er kniete neben ihr nieder, fuhr ihr durch ihre Haare. Doch sie spürte nichts. Nichts ausser einem schwachen Hauch. Er sah ihr in die Augen. Er sah den Schmerz darin, doch konnte er auch erkennen, wie sie sich bereits verschloss. Und alles, was in ihren Augen zurückblieb, war ein dunkler Schleier. 
 
In den folgenden Nächten versuchte er immer wieder, zu ihr vorzudringen. Manchmal gelang es ihm, doch meistens sah er nur oberflächlich in ihre Seele. Das Andere war zu tief vergraben. Es zerriss ihm beinahe das Herz als er sah, wie sehr sie litt. Doch alles was er tun konnte, war bei ihr zu sein und ihr zuzuhören. 
Zu hören, wie ihre Seele weinte. 
 
 

   
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Letzte Änderung am 30.07.2004
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